Eine wunderbare und einfühlsame Freundschaft

Der Seidenfächer - Lisa See
 
 
 
Der Seidenfächer ist eine rührende Geschichte, über eine tiefe Freundschaft zweier Frauen, die den Leser sofort in das China des 19. Jahrhunderts mitreisst, in das Leben von Lilie und Schneerose, über ihren Schmerz, Leid und Kummer und über ihre Gefangenschaft durch die unbeugsamen Verhaltensregeln der Frauen.
 
 

Die Hauptperson und zugleich Erzählerin der Geschichte ist Lilie. Mit 80 Jahren schreibt sie Ihre Memoiren, um ihrer bereits verstorbenen Familie und Schneerose, um Vergebung für Ihre Taten zu bitten.
 

Lilie wurde 1823 in der chinesischen Provinz von Hunan geboren, sie war eine wertlose, zweite Tochter in einer armen Bauernfamilie. Mit sieben Jahren wurden ihr die Füsse gebunden. Als ihre Füsse zu perfekten "goldenen Lilien" deformiert wurden, stieg auch ihr Wert als Frau. Lilie schloss einen "laotong-Bund" (Weggefährtinnen) mit Schneerose, der zum Beginn einer tiefen Freundschaft zwischen den beiden wurde. Mit 17 Jahren heiratete sie in eine hochangesehene Familie, während Schneerose einen Metzger heiratete, was als „unreiner“ Beruf galt.

Auf einem Seidenfächer schrieben Lilie und Schneerose Gedichte zueinander. Der Seidenfächer wurde zu ihrem Tagebuch, auf dem alles Wichtige in ihren Leben aufgeschrieben wurde.

Mittels des Nushu (die 1000 Jahre alte Geheimschrift der Frauen) gelang es den beiden ihre Freundschaft aufrecht zu erhalten und ihr Leben miteinander zu teilen. Das Leben der beiden Frauen im China des 19. Jahrhunderts war mit viel Leid und Schmerz, Geburten und Fehlgeburten, Plagen und Hungernöten und der Ungerechtheit der tiefen sozialen Schicht der Frau geprägt.

Liebe Lilie,
meine Tochter wurde tot geboren. Sie hat mich verlassen, ohne Wurzeln zu schlagen, deshalb wusste sie nichts von den Sorgen des Lebens. Ich hielt ihre Füsse in den Händen. Sie werden nie die Schmerzen des Füssebindens ertragen müssen. Ich habe ihre Augen berührt. Sie werden nie die Traurigkeit kennen, wenn man sein Elternhaus verlässt, die Mutter zum letzten Mal sieht, einem toten Kind Lebewohl sagt. Ich habe die Finger auf ihr Herz gelegt. Es wird nie Schmerz, Sorge, Einsamkeit, Schande kennen. Ich stelle sie mir im Jenseits vor. Ist meine Mutter bei ihr? Ich kenne ihrer beider Schicksale nicht. Alle in meinem Haushalt machen mir Vorwürfe. [...] Der Jadeanhänger, den ich um den Hals getragen habe, um mein ungeborenes Kind zu schützen, lastet auf mir. Ich kann nicht aufhören, an mein totes kleines Mädchen zu denke.
Schneerose


Ich konnte dieses Buch kaum hinlegen, es war von Anfang an rührend und wundervoll geschrieben. Die chinesische Kultur, historischen Ereignisse und die Perspektive der Frauen des alten China wurden genau recherchiert und geschildert. Die Gesellschaft dieser Zeit und der Stand der Frau werden dem Leser näher gebracht. Auch die chinesischen Bräuche und Tradition - zum Beispiel das Füsse Binden - wurden genau beschrieben und versetzen den Leser in Entsetzen wie auch Mitleid.

Sehr einfühlsam und ergreifend geschrieben, ist dieses Buch eine wundervolle Geschichte über die sehr unterschiedlichen Leben zweier Frauen und ihrer tiefen Freundschaft zueinander.